Karl Schmidt und die Kunstgewerbereform

Revolution im deutschen Wohnzimmer

Die ersten maschinellen Serienmöbel

Karl Schmidt, Gründer der Deutschen Werkstätten, geriet als junger Mensch um 1890 in eine Zeit des Umbruchs. Während seiner Wanderjahre in England, dem damals am höchsten industrialisierten Land Europas, konnte der junge Tischler miterleben, wie sich die Fertigungsprozesse von Möbeln rasant veränderten. Die ursprünglich handwerklich erzeugten Formen wurden zunehmend maschinell hergestellt. 

Doch diese massenhafte Produktion dekorativer Elemente führte schnell zur Verkitschung dieses Kunstgewerbes. Die früher aufwendig erdachten und von Hand gefertigten Formen verloren durch die Maschinenherstellung zunehmend ihren Sinn. Karl Schmidt, der nach seiner Rückkehr aus England vom Tischler zum Unternehmer wurde, wollte diese Entwicklung so nicht mittragen. Er fand in dem Architekten und seinem späteren Schwager Richard Riemerschmid einen „Seelenverwandten“. Beide glaubten daran, dass Handwerk, Kunst und Industrie vereint werden können. Deshalb machten sie in den Deutschen Werkstätten Hellerau den Bereich Maschinenarbeit zu einem tragenden Geschäftsbereich. 

Nicht nur die Möbel der Deutschen Werkstätten waren fortschrittlich, sondern auch das Verkaufskonzept: Interessierte konnten sich in Katalogen informieren, einzelne Möbel einer Serie auswählen und später mit weiteren ergänzen. Foto: DW/A. Peitz

Als Möbelgestalter übernahm Riemerschmid im Unternehmen die Aufgabe, eine Formenwelt zu entwickeln, die den Möglichkeiten der Maschinen entsprach und diese dennoch mit einem künstlerischen Anspruch und hoher Qualität verband. Daraus entstand das Maschinenmöbelprogramm von 1904, das den Einrichtungsstil in Deutschland maßgeblich prägte. Es umfasste die ersten serienmäßig maschinell hergestellten Möbel im ganzen Land. Diese neuartigen Möbel gaben zugleich Antworten auf soziale Probleme, weil sie erschwinglich waren, und auf ästhetische Fragen. Denn in ihnen fanden Industrie und Handwerk zu einer neuen, zeitgemäßen Form.

Damit ging von Schmidt, Riemerschmid und den Deutschen Werkstätten nicht nur diese Kunstgewerbereform aus. Ihre Neuerungen manifestierten sich zudem im Deutschen Werkbund, den sie 1907 mit weiteren Gleichgesinnten, darunter der Architekt Hermann Muthesius und der Sozialreformer Friedrich Naumann, gründeten. So stellten sie die Weichen für ein modernes Industriedesign. Der Werkbund besteht noch heute.

Karl Schmidt und die Kunstgewerbereform