Lebendiges Kulturerbe

Karl Schmidt (1873-1948), Gründer der Deutschen Werkstätten, würde sich freuen: Das von ihm und seinen Partnern angelegte Lebensreform-Konzept „Dresden-Hellerau“ ist so lebendig wie eh und je. Die Häuser in der ab 1908 gebauten Gartenstadt sind bewohnt und gepflegt, das 1911 erbaute Festspielhaus von Architekt Heinrich Tessenow wird als „Hellerau - Europäisches Zentrum der Künste Dresden“ sehr engagiert bespielt und führt die Arbeit des Schweizer Komponisten und Musikpädagogen Emile Jacques-Dalcroze (1865-1950) als einem der Väter des modernen Tanzes weiter. Seit 2004 hat der Tänzer und Choreograph William Forsythe mit seiner Frankfurt Dance Company das Festspielhaus wieder international geöffnet. Auf ihn folgte 2015 Jacopo Godani. 

Schließlich gibt es in Hellerau noch die 1909 bis 1911 gebaute Fabrik der Deutschen Werkstätten von Architekt Richard Riemerschmid (1868-1957), die voll vermietet ist und längst ergänzt und erweitert wurde durch den Neubau der Deutschen Werkstätten. Anette Hellmuth, im Unternehmen unter anderem zuständig für Geschichte und Kunst, weiß um die Einzigartigkeit von Dresden-Hellerau: „Es ist in dieser Form das einzige, noch existierende Lebensreformprojekt der Welt.“ 

Karl Schmidt, Mitte vorn, um 1900, Firmenarchiv im SHStA Dresden, © DW, 104_09_05, Repro Lothar Sprenger
Gartenstadt Hellerau, Historisches Unternehmensgebäude der Deutschen Werkstätten, © Foto: Lothar Sprenger
Gartenstadt Hellerau, Europäisches Zentrum der Künste. ehemals Festspiehaus, Hauptsaal, ©Foto: Lothar Sprenger
Gartenstadt Hellerau, © Foto: Lothar Sprenger

Deshalb unterstützen die Werkstätten seit 2011 die Bewerbung um den Titel UNESCO-Weltkulturerbe. Die Erfahrung (auch anderer Bewerber) zeigt, dass dieser Prozess sehr lange dauern kann, dass Anträge mitunter mehrfach nach- und umgearbeitet werden müssen.

Gartenstadt Hellerau, Straßenzug am Grünen Zipfel, ©Förderverein Weltkulturerbe Hellerau e.V., ©Foto: Lothar Sprenger

Anette Hellmuth ist sich sicher, dass sich der Aufwand lohnt, nicht zuletzt für Sachsen und besonders für die Landeshauptstadt Dresden, der 2009 der Welterbetitel wegen der umstrittenen Waldschlösschenbrücke aberkannt wurde. „Dresden-Hellerau", so Anette Hellmuth, „bildet exemplarisch Anspruch und Scheitern der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts ab. Hellerau steht für die vielen Ansätze und Fragen der Lebensreformbewegung.“

„Sachsen tut gut daran, sich auch mit dieser besonderen Industriegeschichte zu beschäftigen. Es gab nicht nur die Residenzstadt Dresden.““